Contents:
Andrew Phelps: "Higley und Haboob"
Tomasz Lewandowski: "Polish Summer"
Lucas Oertel: "draußen"
Newsha Tavakolian, Bahram Shabani, Laurence Raste, Hanna Darabi, NavidReza Haghighi: "Inside Iran"
Phillip Hailperin zur Entstehung von »Passers-by«
Andrew Phelps: "Higley und Haboob"
Tomasz Lewandowski: "Polish Summer"
Lucas Oertel: "draußen"
Newsha Tavakolian, Bahram Shabani, Laurence Raste, Hanna Darabi, NavidReza Haghighi: "Inside Iran"
Phillip Hailperin zur Entstehung von »Passers-by«
Andrew Phelps: "Higley und Haboob"
Kunsthaus Raskolnikow/Galerie 8.4. bis 26.5.2016
veranstaltet vom Fotoforum Dresden
Andrew Phelps wird 1967 in der Nähe von Phoenix, Arizona geboren. Gemeinsam mit seinem Vater erkundet er die großartige Natur des amerikanischen Südwestens und versucht sie in Fotos festzuhalten, orientiert an der heroisierenden Landschaftsfotografie jener Zeit. 1986 schreibt er sich für das Fach „Fotografie“ an der Arizona State University ein. 10 Jahre bevor er dieses Studium beginnt, leitete die Ausstellung "New Topographics: Photographs of a Man-altered Landscape" einen Paradigmenwechsel in der US-amerikanischen Fotografie ein. Die Schau am George Eastman House in Rochester, New York, zeigt Fotografien von Robert Adams, Lewis Baltz, Stephen Shore und einigen anderen. Ihnen gemeinsam ist, den Alltag in all seiner ganzen Gewöhnlichkeit abzubilden.
Rückschauend betrachtet, kündigt sich mit "New Topographics“ eine Abkehr von der bis dahin durch Fotografen wie Ansel Adams oder Edward Weston geprägten visuellen Tradition an, die unberührte Natur, eine wie auch immer geartete heile Welt, fotografisch zu vermitteln. Für Andrew Phelps wie für viele andere Fotografen seiner Generation wird "New Topographics“ zu einem prägendem Leitbild und bedeutet für ihn gleichzeitig eine Absage an die Schöne-Welt-Fotografie, die ihn zunächst zum Studium motiviert hatte. William Jenkins, der Kurator eben jener Ausstellung von 1975, war Phelp’s Professor an der Universität. Andrew Phelps selbst sagt, dass Jenkins seinen Zugang zur Fotografie wie kein anderer beeinflusste. Als Fotograf inspiriert ihn vor allem Robert Adams – einer der wichtigsten Vertreter der „New Topographics“-Bewegung.
Nach einem Studienaufenthalt am Salzburg College lebt Andrew Phelps mit Frau und Kindern seit den 90iger Jahren permanent in Salzburg. Die Beschäftigung mit Higley, der Kleinstadt in Arizona, folgt zunächst einem ausschließlich persönlichen Impuls. Hier, nicht fern der Großstadt Phoenix betrieb sein Großvater eine Farm und er selbst wuchs in der Gegend auf. Nach der Geburt seiner ersten Tochter, trägt er sich mit dem Gedanken, fotografisch zu dokumentieren, woher er kommt, wo seine Wurzeln liegen. Den letzten Anstoß, in die alte Heimat zu reisen, gibt der Anruf seiner Schwester, die ihn damit überrascht, dass sie in Higley ein Haus gekauft habe und sich dort niederlassen wolle. So kehrt er also nach Jahren zurück und muss feststellen, dass von der einstigen ländlichen Idylle kaum etwas übrig ist. Phoenix, die nahe Großstadt, expandierte gewaltig – die Zahl der Einwohner verdoppelte sich zwischen 1980 und 2010 auf etwa 1,5 Millionen. Angetrieben von billigem Bauland, einer boomenden Wirtschaft und 300 Sonnentagen im Jahr, wurden immer mehr Umlandgemeinden von der Großstadt verschluckt. Higley verlor schließlich 2007 seine Selbständigkeit. Die Kleinstadt und die umgebende Agrarlandschaft sind von einförmigen Wohnsiedlungen, Einkaufszentren und Tankstellen an breiten Straßen verdrängt worden. Andrew Phelps ist erschüttert. Gleichwohl macht er sich daran, den Ort seiner Kindheit, der kaum noch wieder zu erkennen ist, zu dokumentieren: das Alte, soweit noch vorhanden, wie auch das Neue. 2007 publiziert er die Aufnahmen in einem Buch mit dem Titel „Higley“. Es gibt darin Bilder von Menschen, ihren Häusern und den darin befindlichen alltäglichen Gegenständen, auch Häuser, die aufgegeben wurden und verfallen.
Rückschauend betrachtet, kündigt sich mit "New Topographics“ eine Abkehr von der bis dahin durch Fotografen wie Ansel Adams oder Edward Weston geprägten visuellen Tradition an, die unberührte Natur, eine wie auch immer geartete heile Welt, fotografisch zu vermitteln. Für Andrew Phelps wie für viele andere Fotografen seiner Generation wird "New Topographics“ zu einem prägendem Leitbild und bedeutet für ihn gleichzeitig eine Absage an die Schöne-Welt-Fotografie, die ihn zunächst zum Studium motiviert hatte. William Jenkins, der Kurator eben jener Ausstellung von 1975, war Phelp’s Professor an der Universität. Andrew Phelps selbst sagt, dass Jenkins seinen Zugang zur Fotografie wie kein anderer beeinflusste. Als Fotograf inspiriert ihn vor allem Robert Adams – einer der wichtigsten Vertreter der „New Topographics“-Bewegung.
Nach einem Studienaufenthalt am Salzburg College lebt Andrew Phelps mit Frau und Kindern seit den 90iger Jahren permanent in Salzburg. Die Beschäftigung mit Higley, der Kleinstadt in Arizona, folgt zunächst einem ausschließlich persönlichen Impuls. Hier, nicht fern der Großstadt Phoenix betrieb sein Großvater eine Farm und er selbst wuchs in der Gegend auf. Nach der Geburt seiner ersten Tochter, trägt er sich mit dem Gedanken, fotografisch zu dokumentieren, woher er kommt, wo seine Wurzeln liegen. Den letzten Anstoß, in die alte Heimat zu reisen, gibt der Anruf seiner Schwester, die ihn damit überrascht, dass sie in Higley ein Haus gekauft habe und sich dort niederlassen wolle. So kehrt er also nach Jahren zurück und muss feststellen, dass von der einstigen ländlichen Idylle kaum etwas übrig ist. Phoenix, die nahe Großstadt, expandierte gewaltig – die Zahl der Einwohner verdoppelte sich zwischen 1980 und 2010 auf etwa 1,5 Millionen. Angetrieben von billigem Bauland, einer boomenden Wirtschaft und 300 Sonnentagen im Jahr, wurden immer mehr Umlandgemeinden von der Großstadt verschluckt. Higley verlor schließlich 2007 seine Selbständigkeit. Die Kleinstadt und die umgebende Agrarlandschaft sind von einförmigen Wohnsiedlungen, Einkaufszentren und Tankstellen an breiten Straßen verdrängt worden. Andrew Phelps ist erschüttert. Gleichwohl macht er sich daran, den Ort seiner Kindheit, der kaum noch wieder zu erkennen ist, zu dokumentieren: das Alte, soweit noch vorhanden, wie auch das Neue. 2007 publiziert er die Aufnahmen in einem Buch mit dem Titel „Higley“. Es gibt darin Bilder von Menschen, ihren Häusern und den darin befindlichen alltäglichen Gegenständen, auch Häuser, die aufgegeben wurden und verfallen.
Andrew Phelps, 2004-2012
Kaum hatte Andrew Phelps die Arbeit an diesem Buch beendet, platzt in den USA die Immobilienblase. Am 15. September 2008 bricht die Investmentbank "Lehman Brothers" zusammen. Die Krise beendet abrupt den Bauboom in den USA, so auch in Higley. Andrew Phelps kehrt ein weiteres Mal nach Higley zurück und wird Zeuge des Niedergangs. Zahlreiche neue Häuser finden keine Käufer mehr, manche können nicht fertig gestellt werden und stehen halbfertig in der Landschaft. Andrew Phelps veröffentlicht seine in dieser Zeit entstandene Serie 2012 unter dem Titel „Haboob.“ Dieser Begriff steht in Arizona für Unheil bringende Sandstürme und ist zugleich ein Sinnbild für die zerstörerische Wirkung von Boom und Krise in jener Zeit. Im Unterschied zu „Higley“ enthält „Haboob“ nur wenige Bilder von Menschen und wenn, dann nur aus der Distanz. Ob beabsichtigt oder nicht, Andrew Phelp’s Bilder transportieren über die persönliche Spurensuche hinaus eine politische Botschaft. Sie sind zugleich Dokumentation und Kritik an gesellschaftlichen Entwicklungen. Wie unter einem Vergrößerungsglas bilden sich in Higley die Folgen des ungebremsten Wachstums, der scheinbar unaufhaltsamen Urbanisierung und Zersiedelung ganzer Landstriche ab. Higley steht dabei exemplarisch für die globalisierte, vor allem von wirtschaftlichen Interessen, gelenkten Welt.
Text: J. Schmidt, 03/2016
Text: J. Schmidt, 03/2016
Tomasz Lewandowski: "Polish Summer"
Kunsthaus Raskolnikow/Galerie 26.10. bis 07.12.2018
veranstaltet vom Fotoforum Dresden
Polen wie Europa befinden sich gegenwärtig in einem Zustand der Spaltung. Liberale demokratische Grundwerte werden in Frage gestellt, nationalistische Tendenzen sind auf dem Vormarsch. Tomasz Lewandowski, in Polen geboren und aufgewachsen, kam vor Jahren zum Studium nach Deutschland. Seitdem lebt und arbeitet er in Halle, kehrt aber immer wieder in sein Heimatland zurück, um die gesellschaftliche Situation in Polen mit dem Medium der Fotografie zu dokumentieren.
Am 11. November 1918 wurde in der Folge des ersten Weltkrieges die Zweite Polnische Republik ausgerufen. Kaum hatte sich der junge Staat konsolidiert, griff am 1. September 1939 das Deutsche Reich Polen an und besetzte die westlichen Landesteile. Ostpolen wurde gemäß dem Ribbentrop-Molotow-Pakt kurz darauf von der Sowjetunion vereinnahmt. Das nationalsozialistische Besatzungsregime wütete grauenvoll. In deutschen Konzentrationslagern auf polnischem Boden wurden 6 Millionen Polen, ca. 16,5% der Gesamtbevölkerung, darunter 3 Millionen polnische Juden, ermordet. Nach Ende des zweiten Weltkrieges entstand auf einem nach Westen verschobenen Territorium mit der Volksrepublik Polen ein sowjetischer Vasallenstaat. Die Umwälzungen in Osteuropa, in Polen die Gewerkschaftsbewegung „Solidarność“ und die Wahl Karol Wojtyłas, eines polnischen Bischofs, zum Papst Johannes Paul II., dem Oberhaupt der mächtigen römisch-katholischen Kirche, führten schließlich 1989 zur Ablösung des kommunistischen Regimes. Freie Wahlen markierten den Beginn der Dritten Republik. 2004 trat Polen der Europäischen Union bei, was zur erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung Polens in den Folgejahren maßgeblich beitrug. Derzeit wird Polen von der nationalkonservativen PiS-Partei regiert, die auf einen Obrigkeitsstaat hinarbeitet, jedoch wegen ihrer Sozialpolitik Zustimmung in großen Teilen der Bevölkerung genießt.
100 Jahre Neugründung Polens und die jüngsten politischen Verwerfungen sind Anlass, die Fotoserie „Polish Summer“ einem größeren Publikum zu präsentieren. Für diese Serie reiste Tomasz Lewandowski mehrfach durch seine polnische Heimat. Seine Fotografien zeigen einerseits Szenen aus dem Alltag, anderseits politisch und historisch relevante Orte und Objekte im Polen der Gegenwart. Weil er sowohl in Polen als auch in Deutschland zu Hause ist, kann er seine Heimat aus einer ganz eigenen Perspektive betrachten. Er sieht Polen gleichermaßen durch die Augen eines Fremden wie eines Einheimischen. Als Fotokünstler beschäftigt sich Lewandowski vor allem mit der soziologischen Dimension der Architektur. Es verwundert daher nicht, dass ein Großteil seiner Fotografien Gebäude, Straßen und Plätze zeigen. Dennoch bilden die Aufnahmen die sozialen Verhältnisse und die Lebensgewohnheiten der Polen auf einzigartige Weise ab. In ihnen drückt sich der wirtschaftlich-soziale Wandel ebenso aus wie die politisch-ideologischen Umbrüche der letzten Jahrzehnte. Es sind die Autobahnen und Einkaufszentren als Symbole des wirtschaftlichen Aufstiegs, die den Übergang Polens in die kapitalistische Welt des Westens markieren. Daneben finden sich die Relikte der sozialistischen Vergangenheit: anonyme Plattenbauten oder vernachlässigte Altstadtviertel. Und auch dort, wo nicht große Investoren oder der Staat ihre Hände im Spiel haben, wird erkennbar, wie sich in der Architektur die Wünsche und Träume der Polen manifestieren. Hier verkündet die Villa unmissverständlich den wirtschaftlichen Erfolg des Erbauers oder die feilgebotenen Gartenfiguren den Hang zu kleinbürgerlicher Idylle. Schließlich fordert die „Freizeit-Gesellschaft“ immer ausgefallenere Attraktionen, ein ausrangiertes Flugzeug wird zum Restaurant, mitten in der Agrarlandschaft wachsen stählerne Achterbahnen aus dem Boden. Andere liebenswerte Objekte, wie die typischen Kioske, verschwinden aus dem Stadtbild. Mit der Darstellung politisch und historisch relevanter Orte und Gedenkstätten konfrontiert der Fotograf den Betrachter mit Geschehnissen, die in Polen heute vielleicht eher verdrängt als wahrgenommen werden. In Zeiten eines neu aufkommenden Patriotismus gesteht man sich dunkle Kapitel der jüngeren Vergangenheit ungern ein, wie beispielsweise die Existenz von Arbeitslagern während der kommunistischen Herrschaft in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg.
Am 11. November 1918 wurde in der Folge des ersten Weltkrieges die Zweite Polnische Republik ausgerufen. Kaum hatte sich der junge Staat konsolidiert, griff am 1. September 1939 das Deutsche Reich Polen an und besetzte die westlichen Landesteile. Ostpolen wurde gemäß dem Ribbentrop-Molotow-Pakt kurz darauf von der Sowjetunion vereinnahmt. Das nationalsozialistische Besatzungsregime wütete grauenvoll. In deutschen Konzentrationslagern auf polnischem Boden wurden 6 Millionen Polen, ca. 16,5% der Gesamtbevölkerung, darunter 3 Millionen polnische Juden, ermordet. Nach Ende des zweiten Weltkrieges entstand auf einem nach Westen verschobenen Territorium mit der Volksrepublik Polen ein sowjetischer Vasallenstaat. Die Umwälzungen in Osteuropa, in Polen die Gewerkschaftsbewegung „Solidarność“ und die Wahl Karol Wojtyłas, eines polnischen Bischofs, zum Papst Johannes Paul II., dem Oberhaupt der mächtigen römisch-katholischen Kirche, führten schließlich 1989 zur Ablösung des kommunistischen Regimes. Freie Wahlen markierten den Beginn der Dritten Republik. 2004 trat Polen der Europäischen Union bei, was zur erfolgreichen wirtschaftlichen Entwicklung Polens in den Folgejahren maßgeblich beitrug. Derzeit wird Polen von der nationalkonservativen PiS-Partei regiert, die auf einen Obrigkeitsstaat hinarbeitet, jedoch wegen ihrer Sozialpolitik Zustimmung in großen Teilen der Bevölkerung genießt.
100 Jahre Neugründung Polens und die jüngsten politischen Verwerfungen sind Anlass, die Fotoserie „Polish Summer“ einem größeren Publikum zu präsentieren. Für diese Serie reiste Tomasz Lewandowski mehrfach durch seine polnische Heimat. Seine Fotografien zeigen einerseits Szenen aus dem Alltag, anderseits politisch und historisch relevante Orte und Objekte im Polen der Gegenwart. Weil er sowohl in Polen als auch in Deutschland zu Hause ist, kann er seine Heimat aus einer ganz eigenen Perspektive betrachten. Er sieht Polen gleichermaßen durch die Augen eines Fremden wie eines Einheimischen. Als Fotokünstler beschäftigt sich Lewandowski vor allem mit der soziologischen Dimension der Architektur. Es verwundert daher nicht, dass ein Großteil seiner Fotografien Gebäude, Straßen und Plätze zeigen. Dennoch bilden die Aufnahmen die sozialen Verhältnisse und die Lebensgewohnheiten der Polen auf einzigartige Weise ab. In ihnen drückt sich der wirtschaftlich-soziale Wandel ebenso aus wie die politisch-ideologischen Umbrüche der letzten Jahrzehnte. Es sind die Autobahnen und Einkaufszentren als Symbole des wirtschaftlichen Aufstiegs, die den Übergang Polens in die kapitalistische Welt des Westens markieren. Daneben finden sich die Relikte der sozialistischen Vergangenheit: anonyme Plattenbauten oder vernachlässigte Altstadtviertel. Und auch dort, wo nicht große Investoren oder der Staat ihre Hände im Spiel haben, wird erkennbar, wie sich in der Architektur die Wünsche und Träume der Polen manifestieren. Hier verkündet die Villa unmissverständlich den wirtschaftlichen Erfolg des Erbauers oder die feilgebotenen Gartenfiguren den Hang zu kleinbürgerlicher Idylle. Schließlich fordert die „Freizeit-Gesellschaft“ immer ausgefallenere Attraktionen, ein ausrangiertes Flugzeug wird zum Restaurant, mitten in der Agrarlandschaft wachsen stählerne Achterbahnen aus dem Boden. Andere liebenswerte Objekte, wie die typischen Kioske, verschwinden aus dem Stadtbild. Mit der Darstellung politisch und historisch relevanter Orte und Gedenkstätten konfrontiert der Fotograf den Betrachter mit Geschehnissen, die in Polen heute vielleicht eher verdrängt als wahrgenommen werden. In Zeiten eines neu aufkommenden Patriotismus gesteht man sich dunkle Kapitel der jüngeren Vergangenheit ungern ein, wie beispielsweise die Existenz von Arbeitslagern während der kommunistischen Herrschaft in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg.
Tomasz Lewandowski 2018
Schon aufgrund der verwendeten Großformatkamera, die spontanes Fotografieren im Stil der „Street Photography“ kaum zulässt, sucht Tomasz Lewandowski dabei nicht den dramatischen Effekt - ihn interessieren vielmehr die mitunter scheinbar banalen Details, die sich erst bei genauerer Betrachtung als ganz und gar nicht banal erweisen. Gleichzeitig geht er seine Themen akribisch und bis in die zunächst kaum wahrnehmbaren Einzelheiten durchdacht an. Da ist beispielsweise der blaue Pool vor den in einiger Entfernung liegenden Baracken des von den deutschen Besatzern errichteten KZs Ausschwitz. Hat man die Bildinhalte erst einmal entschlüsselt geben sie auf subtile Weise Einblick in das Leben der Gegenwart wie in die jüngere Vergangenheit. Exemplarisch für die Intensität und Schärfe der aktuellen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen steht das verstörende Billboard der Anti-Abtreibungskampagne, das Tomasz Lewandowski inmitten einer friedlichen Waldidylle im Tatra Gebirge ablichtet. Allen Anschein nach hat die katholische Kirche in Polen wie in keinem anderen Land Europas Einfluss auf Politik und Gesellschaft, wie sich vor allem aber nicht nur beim Thema Abtreibung zeigt. Die Institution mit ihrem Oberhaupt, dem Papst sind zweifellos sehr präsent in Polen.
Die Serie „Polish Summer“ bildet Polen auf stille und doch eindrückliche Weise ab, sowohl mit Bezug zur Gegenwart wie zur jüngeren Vergangenheit. Zu verdanken ist diese Bestandsaufnahme der beharrlichen Arbeit und den wachen Augen des Autores, Tomasz Lewandowski.
Text: J. Schmidt 09/2018
Die Serie „Polish Summer“ bildet Polen auf stille und doch eindrückliche Weise ab, sowohl mit Bezug zur Gegenwart wie zur jüngeren Vergangenheit. Zu verdanken ist diese Bestandsaufnahme der beharrlichen Arbeit und den wachen Augen des Autores, Tomasz Lewandowski.
Text: J. Schmidt 09/2018
Lucas Oertel: "draußen"
produzenten | galerie 29.06.-27.7.2019
Gegensätzlicher könnten die Motive kaum sein, die Lucas Oertel in seinen Werken zeigt: eine Jagdgesellschaft, Tiere zwischen üppigen Pflanzen, ein Typ, der entspannt auf einer grünen Wiese liegt und ein wilder Haufen Männer, offenbar mehr als angeheitert. Das exzessive Gelage im Bild „Open Air“ scheint aus dem Ruder zu laufen, die Szene droht zu kippen. Jeder sucht seinen Spaß in einem einzigen Durcheinander. Einige aus der feiernden Menge drohen erdrückt zu werden. In ihren Gesichtern meint man Schmerzensschreie zu erkennen, während drumherum ausgelassen gelacht und gejubelt wird.
Ganz im Gegensatz dazu stehen die Naturmotive. Der Mensch im Bild „draußen“ liegt entspannt und frei von Sorgen inmitten einer üppigen Natur. Lucas Oertel verortet diese Szene aus mehreren Einzelbildern in einer tropisch exotischen Umgebung. Affen, Papageien und ein Elefant umrahmen den glücklich im Gras liegenden Adam. Das perfekte Paradies, nur Eva lässt sich nicht blicken.
Ganz im Gegensatz dazu stehen die Naturmotive. Der Mensch im Bild „draußen“ liegt entspannt und frei von Sorgen inmitten einer üppigen Natur. Lucas Oertel verortet diese Szene aus mehreren Einzelbildern in einer tropisch exotischen Umgebung. Affen, Papageien und ein Elefant umrahmen den glücklich im Gras liegenden Adam. Das perfekte Paradies, nur Eva lässt sich nicht blicken.
Oertels Bilder führen in eine andere Welt und auch in eine andere Zeit. Im Holzrelief „Jäger“ kommt eine Jagdgesellschaft daher – mit Speeren bewaffnet und unbekleidet, weit entfernt von unserer Zivilisation. Die Speere durchbohren einen Tiger, der von Schmerz gezeichnet zu Boden sinkt. Erwehren sich die Jäger der Gefahr, der sie sich ausgesetzt sehen, oder greifen sie aggressiv und zerstörerisch in eine heile Welt ein? Lucas Oertel untersucht das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt und zu seinen Mitmenschen, so, wie es ist, wie es war und wie es sein könnte. Fragen, mit denen wir uns heute mehr denn je konfrontiert sehen.
Text: J. Schmidt 07/2019
Text: J. Schmidt 07/2019
Newsha Tavakolian, Bahram Shabani, Behnam Sadiqi, Laurence Rasti, Hanna Darabi,
NavidReza Haghighi: "Inside Iran"
Kunsthaus Raskolnikow/Galerie 18.10. bis 22.11.2019
veranstaltet vom Fotoforum Dresden in Kooperation mit Fotohof Salzburg
Mit der islamischen Revolution im Jahr 1979 wurde der Iran ein Gottesstaat. Dieser Staat polarisiert, im Land selbst wie in der ihn umgebenden Welt. Der Alltag der rund 80 Millionen Iraner wird rigide überwacht, Widersacher werden mundtot gemacht. Über die tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnisse im Iran dringen daher kaum Informationen - und noch weniger Bilder - nach außen. Journalisten und Künstler, darunter ganz besonders auch Fotografen, stehen unter ständigem Druck der Behörden. Wer in der Öffentlichkeit fotografiert macht sich per se verdächtig. Umso erstaunlicher ist es, dass es im Iran trotz aller Einschränkungen eine lebendige Fotoszene gibt, die sich zuletzt bei den Rencontres in Arles 2017 einem größeren Publikum präsentierte.
Aus naheliegenden Gründen beschäftigen sich die hier gezeigten Aufnahmen nicht vordergründig mit aktuellen politischen Auseinandersetzungen im Iran. Indem sie sich vorwiegend auf die private Lebenswirklichkeit beziehen, spiegeln sie gleichwohl subtil die autoritäre Realität des streng islamisch verfassten Staates.
Text: J. Schmidt 09/2019
Aus naheliegenden Gründen beschäftigen sich die hier gezeigten Aufnahmen nicht vordergründig mit aktuellen politischen Auseinandersetzungen im Iran. Indem sie sich vorwiegend auf die private Lebenswirklichkeit beziehen, spiegeln sie gleichwohl subtil die autoritäre Realität des streng islamisch verfassten Staates.
Text: J. Schmidt 09/2019
Newsha Tavakolian Tehran 2009
Bahram Shabani Tehran 2011
Behnam Sadiqi 2010-2012
Bahram Shabani Tehran 2011
Behnam Sadiqi 2010-2012
Phillip Hailperin zur Entstehung von »Passers-by«
Es ist das dritte Buch, das wir mit dem Fotografen Jürgen Schmidt umsetzen durften. Die herstellerische Herausforderung lag hier darin, dass keines der doppelseitigen Fotos durch den Faden gestört werden sollte (und natürlich sollte das Motiv vollständig sichtbar sein). Die Reihenfolge der Fotos stand jedoch fest. Zunächst hatten wir über ein Layflat-/Flatbook (auch als Panorama-Bindung bezeichnet) nachgedacht. Das erwies sich aufgrund von Format, gewünschtem Papier, Duoton-Offset-Druck und einer Auflage von 200 Stück jedoch als äußerst schwierig. Es gibt nicht viele Anbieter, die Flatbooks maschinell herstellen, denn die Maschinen dafür sind eine große Investition. Wer eine hat, möchte sie verständlicherweise möglichst optimal auslasten – da wird nur eine beschränkte Anzahl an Größen und Papier angeboten und als Druckverfahren gibt es 4-farbigen Druck mit Skalafarben. In Handarbeit hätten sich die Bögen zusammenkleben lassen – aber bei 84 Seiten ist das auch nicht die wirtschaftlichste Angelegenheit. Letztlich kamen wir zur Schweizer Broschur zurück, die wir schon beim vorhergehenden Band eingesetzt hatten. Sie lässt sich besonders gut aufschlagen. Mit DZA Druckerei zu Altenburg fanden wir schließlich eine Lösung mit einzelnen eingeklebten Seiten, die erforderlich waren, damit wirklich durch kein doppelseitiges Bild ein Faden geht.
Text: Phillip Hailperin (veröffentlicht in LinkedIn am 4. März 2020)
Phillip Hailperin arbeitet als Buchgestalter und Hersteller bei Hofmeister Stauder. Büchermacher sowie zappo [Agentur für Kommunikation]
Text: Phillip Hailperin (veröffentlicht in LinkedIn am 4. März 2020)
Phillip Hailperin arbeitet als Buchgestalter und Hersteller bei Hofmeister Stauder. Büchermacher sowie zappo [Agentur für Kommunikation]